Wenn man diesen Weg bis zum Ende geht, kann er dazu führen,
das man eine Transzendenz erfährt, die das Ego und die Welt,
die einen umgibt, miteinander verschmelzen und somit die dualistische
Trennung zwischen dem „Da-draußen“ und dem „Hier-drinnen“,
wenn auch nicht permanent, so doch zumindest schlaglichtartig aufgehoben
wird.
Es ist sowohl ein Weg der Selbsterkenntnis als auch ein Weg
des Erkennens des Selbst und macht den Menschen – bisweilen – selbstlos.
Der
Keim
Es ist der Gedanke, der etwas im Selbst keimen läßt.
Läßt man ihn achtlos fallen, so bildet er mit den Jahren
einen undurchdringlichen Wald, eine gewachsene Mauer, in dessen
Unterholz das Selbst gefangen ist. Zum anderen hütet man ihn
zu sehr, dann wird er verkümmern, weil man ihn ständig
beschattet und er kein fruchtbares Licht bekommt. Der Gedanke ist
Kraft, Kraft die man ihm gibt und die man weiter gibt. Je kleiner
der Keim ist, je unreifer in seiner Entwicklung, desto unauffälliger
kann er auch in anderen wachsen. Und doch muß man ihm ständig
nähren, mit dem Wasser der Gefühle und der Festigkeit
des Verstandes – das richtige Maß und die richtige
Zeit zu finden, ist manchmal schwierig.
Man sorge stets für guten Nährboden, den Nährboden
des Wissens und den Nährboden der Phantasie, und man hüte
sich davor, das jener Keim von Giftigem infiziert wird. So lösche
man lieber einen guten Gedanken aus, wenn er von giftigen Überlegungen
infiziert ist, denn jene Infektion kann auch auf andere, denen
man jenen Gedanken überläßt, mit übertragen
werden.
Man achte stets darauf, welche Keime man in sich gebiert,
welche Gedanken man denkt und bei welchen Gelegenheiten und darauf,
wie
sich im Lauf der Zeiten entwickeln. Auch soll man sie hüten,
jedoch nicht wie einen persönlichen Besitz; man soll sie auch
weitergeben. Damit geht man zwar die Gefahr einer giftigen Infektion
ein, aber man verweigert sich auch der Zugabe eines nahrhaften
Düngers – denn der Keim trägt auch eine Kraft in
sich selbst, denn er erwächst aus sich selbst heraus.
Man spürt, wenn aus dem Keim eine fruchtbare Pflanze erwachsen
ist, die in der Erinnerung wurzelt und in der Gegenwart gedeiht,
jener Pflanze entsprechen im körperlichen Bereich die Hände.
Die
Wurzel
Die Wurzel ist die Seele, der unzerstörbare Wesenskern, welcher
klar und direkt wahrnimmt. Es ist das ewig Existierende, das kein
Ego braucht und aus dem doch das Selbst entsteht. Es ist auch jener
Teil, welcher mit dem Göttlichen, dem All, dem was immer ist
und immer sein wird, stets verbunden ist, ja, es repräsentiert.
Findet man seine Wurzel, jenes feine Spinnenetz, jenes Geflecht
außerhalb von Raum und Zeit, so ist es die Quelle der Triebkraft
und schickt das Selbst, das dualistisch denkende Ego auf eine Reise
immer weiter hinab in die feinen Fasern, bis es sich verliert und
nur noch Klarheit ist.
Die körperliche Entsprechung ist der Solar Plexus, ihm entspringt
die spirituelle Intuition, die von allen Gefühlen und Emotionen
befreit ist; Die nicht urteilt und beurteilt, sondern suchend erblickt
und Nichts suchend findet.
Welche Hauptwurzel nährt also das Selbst, welche Nebenwurzeln
färben es ein und bereichern es? Welches ist der Wesenskern
und welches sind Andere, die durch das Ego einen Platz einnehmen
können? Welche Wurzel ist vertrocknet oder verkümmert,
hat keinen Kontakt mehr mit dem Entselbsten?
Erspüre mit der klaren Intuition jenes Spinnenetz des egozentrischen
Schicksals, die feinen Haarwurzeln des beurteilenden Egos und das
Geflecht der dualistischen Bestimmung. Jene Intuition ist es, welche
die Magie beherrscht, sie ist es, die Veränderungen möglich,
diese erkennbar macht und in Unveränderlichkeit eingebettet
ist.
Stamm, Rinde und Blätter
Der menschliche Körper ist die Entsprechung zum Stamm und
die Blätter sind das, was man nach Außen trägt.
Man sollte sich nicht scheuen, die Blätter abzuwerfen, die Äußerlichkeiten,
die Darstellung des Selbst – sie sind ja nur ein Ausdruck
des momentanen Egos. Natürlich kann man sich damit auch schmücken,
aber stets gewiß sein, das sie in der Zeit so vergänglich
sind, wie das Herbstlaub der Bäume, die auf der Erde existieren.
Der
Stamm sollte stets gesund und mit einer intakten Rinde versehen sein,
dessen Entsprechung die Haut des Körpers aber auch die
Haut des Geistes ist. Kleine und große Wunden können
geheilt werden, wenn die Verbindung zu den Wurzeln gewahrt bleibt – doch
in ihr steckt auch die Fähigkeit des Salamanders, sich stets
zu erneuern ohne zu vergehen. Der Stamm ist endlich, die Wurzeln
sind ewig, und ist der Stamm stark aber flexibel, so widersteht
er auch einem möglichen
Sturm.
Blüten und Samen
Sie vergegenwärtigen Schönheit und Zerfall, Leben und
Tod, Leben aus dem Vergehen. Die körperliche Entsprechung
sind Vagina und Penis, das Selbst verkörpert sie als Liebe
und Begehren. So kann ein Baum nicht ewig blühen oder immer
Frucht tragen, es gibt Zeiten der Blüte und Zeiten der Reife,
diese Zyklen soll man wahrnehmen und klar erkennen. Denn wenn eine
Pflanze versucht ewig zu blühen, so stirbt er, ohne das Sein
wahrzunehmen. Wenn ein Baum ewig Frucht trägt, ohne sie auf
fruchtbaren Boden fallen zu lassen, so stirbt er, ohne dessen Gewahr
sein zu erfahren.
All dies beschreibt den Weg des Pflanzers, der sich selbst pflanzt,
um seine Wurzeln zu erfahren und der sich selbst erntet, um sich
zu erkennen. Der sich Selbst der Nährboden und der Dünger
ist, genährt und gedüngt von dem, was ist und was immer
sein wird. Der sein Selbst erkennt und sich in das Entselbst
begibt um wieder aufs neue jenen Weg zu gehen, sich zerstreuend
und sich konzentrierend ...
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